Der Staat ist in Gefahr |
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Lieder zur Wiener Revolution 1848 |
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Am 13. März 1848 bricht in Wien die Revolution aus. Dem Polizeistaat Metternichs wird der Kampf angesagt. Mit häßlichen, lärmenden Katzenmusiken sucht die aufgebrachte Menge in diesem Jahr mehrmals unliebsame Personen des öffentlichen Lebens heim und stellt sie so an den Pranger. Dabei versammelten sich bis zu 20.000 Menschen vor dem Haus des Übeltäters
und machten mit Trommeln, Geigen, Klarinetten, Oboen, Fagotten, Drehorgeln,
Flöten , Tschinellen, aber auch mit Ratschen und anderen Geräuscherzeugern
einen unheimlichen, bedrohlichen Lärm. |
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Militär ging am 13. März gegen die aufgebrachte Menge vor. Schüsse fielen und erste Tote waren zu beklagen. Die Arbeiter demolierten aus Wut über ihre elenden Lebensbedingungen in den Fabriken die Maschinen. Am 14. März bildete sich die Nationalgarde und die Akademische Legion. Die Zensur wurde aufgehoben und die Preßfreiheit verkündet. Metternich floh aus Wien. Mit ihm verschwand über Nacht das verhaßte Spitzelwesen. Zu den besungenen Helden der Märztage zählten in besonderer
Weise die Studenten. Das Gedicht "Die Universität" von
Ludwig A. Frankl wurde unzählige Male vertont und inbrünstig
gesungen. |
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Die Märztage hatten aber auch Opfer gefordert. So mischte sich in die Freude über die neuerrungene Freiheit die Klage über gefallene Freunde. Die wohl meistgesungene Melodie der Wiener Revolution war - wie bereits erwähnt - jene des "Fuchsliedes". Die Schwarz-rot-goldenen setzten das Fuchslied gerne als provokante Protestform ein und zogen es als Ausdruck von Freiheit und Fortschritt der verzopften Haydnschen Kaiserhymne vor, die sie dem schwarz-gelben Lager zuordneten, und die für sie Rückschritt, Knechtschaft und Beschränktheit symbolisierte. Die Kaiserhymne "Gott erhalte" zählte jedoch ebenfalls
zu den beliebtesten Melodien und zwar für die Vertreter des konservativen
Lagers: |
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Zu den wichtigsten Errungenschaften zählte die heißersehnte
Preßfreiheit; in zahlreichen Witzen, Karikaturen und Spottgedichten
machte man sich über die verhaßte Zensur Luft. "(...) O Metternich, o Metternich, hieß es schon in Alexander Medis' Lied Die neue Geschichte von einem alten großen Herrn. Die Kontrafaktur bot auch die Möglichkeit, ein Lied, das dem Gegner viel bedeutete, aufs äußerste zu verunglimpfen und den Kontrahenten damit zu ärgern: So sangen die 48er auf eine Melodie, die Sie sicherlich kennen: "Herr Metternich! Herr Metternich! / Ihr Diplomatenglück entwich! / Seit fünfzig Jahren intrigiert: / Und jetzt vom Volke persifliert! [...]" Dieses Lied verkehrte das Motiv des beständigen, immergrünen Tannenbaums im Spott auf den zurückgetretenen Staatskanzler ins Gegenteil. Neben den Studenten spielten auch die Arbeiter eine bedeutende Rolle während der Revolution. Am 25. Mai z.B. half eine große Schar von Arbeitern den Studenten beim Barrikadenbau. Vom Arbeitermilieu handelt auch das Lied "Der Proletarier", das für unsere RevolutionsCD Adi Hirschal eingesungen hat: Zu den Sympathisanten der Revolution zählte kein Geringerer als Johann Strauß Sohn. Er stand den revolutionären Studenten nahe und komponierte u.a. einen "Revolutionsmarsch". Alle diese Aktivitäten sollten ihm nach Niederwerfung der Revolution nachhaltig die Gunst am Kaiserhofe schmälern. Sein Vater wiederum, Strauß sen. war dem Kaiser sehr verbunden und bemühte sich 1848 vergeblich, den Spottnamen eines Schwarz-Gelben loszuwerden. Im Gegenteil führte man ihn bereits auf der Liste jener Personen, die man mit einer Katzenmusik heimsuchen wollte. In dieser Zeit, genauer gesagt, als Radetzky 1848 siegreich den Italien-Feldzug beendete, schrieb Strauß Vater den berühmten Radetzkymarsch. Am 12. August kehrte der am 17. Mai aus Wien geflohene Kaiser Ferdinand aus Innsbruck nach Wien zurück. Diese Entwicklung und so manches andere Ereignis wurde auch in Oberösterreich besungen: Wachsam und mit kritischen Blicken beobachtete man auch Erzherzog Johann in seiner Rolle als Reichsverweser. Seine Bestellung nach Frankfurt fand anfänglich im zeitgenössischen Liedgut durchaus positive Resonanz. Schon bald aber sollte sich die Machtlosigkeit des Parlaments herausstellen. Als Johann weder die Erstürmung Wiens durch die kaiserlichen Truppen im Oktober noch die Erschießung des Frankfurter Abgeordneten Robert Blum verhindern kann, ist es mit aller Sympathie für ihn vorbei. Man aktualisierte 1848/49 das bereits aus dem Vormärz bekannte Lied "Fürsten zum Land hinaus" um weitere Strophen und sang voller Enttäuschung und Haß: "[...] Dem deutschen Bundestag / Werft faule Eier nach! [...] Auch dem Reichs-Johannlein, / schlagt gleich die Rippen ein! [...]". Robert Blum, der prominente Sprecher der Frankfurter "Linken", war im Morgengrauen des 9. Oktobers in der Brigittenau standrechtlich erschossen worden; sein Tod löste vor allem in Deutschland eine Welle der Empörung aus und zog eine Flut von Liedern nach sich: Zu den bekanntesten zählt das im Stil einer Moritat gehaltene "Was zieht dort zur Brigittenau". Der Oktober veränderte vieles. Zu Beginn der Aufstände hatte man sich seines revolutionären Gepränges überaus gerühmt. Nach dem Sieg von Windischgrätz war man gezwungen, sämtliche Requisiten, die einst besungenen "blinkenden Waffen", die Kokarden, die schwarz-rot-goldenen Bänder, etc. loszuwerden und gegen eine unverdächtige Kleidung einzutauschen. Zu dieser Zeit machte sich aber auch eine furchtbare Atmosphäre des Mißtrauens, des Nadererwesens und des Denunziantentums breit. Das anonym überlieferte Wienerlied Jetzt "sågt's ma, warum ma kan Weaner mehr traut" erinnert noch daran. Schon bald nach dem Ende der Revolution wurden die Ereignisse von 1848 - wohl auch als Teil der habsburgischen Propaganda - herabgespielt. Im Wienerlied "Wo is die alte G'mütlichkeit", das den Untertitel "Ein alter Achtundvierziger" trägt, ist von der Revolution schließlich überhaupt keine Rede mehr...
von Dr. Gertraud Pressler (siehe auch: Ausstellungskatalog "1848 das tolle Jahr' Chronologie einer Revolution, hg. v. Historischen Museum der Stadt Wien, Wien 1998, 224 S., incl. CD) |