Musik im Gasthaus |
von Herbert Zotti und Susanne Schedtler Bevor wir in das eigentliche Thema eintauchen, erscheint es sinnvoll
etwas über die Freizeitgestaltung und damit verbunden die Unterhaltung,
ihre Möglichkeiten und ihr Umfeld nachzudenken. Wir möchten
in diesem Beitrag die Entwicklung ab dem Vormärz (1815-1848) darstellen,
also jener Zeit, die man später Biedermeier nannte. 1. „Nichts Schöners auf der ganzen Welt Durchaus üblich war es, dass im Gastraum Instrumente wie Zither
oder Gitarre an der Wand hingen, die von den Wirtshausbesuchern auch verwendet
werden durften. „Vor’n Dreinundsiebz’gerjahr, [...] da war’s G’schäft a Freud’, an’ Gulden Entrée hat ma zahlt und bummvoll war’s alle Tag; heut’ san die Preise so h’runtergegangen, daß ma oft nur zwanzig Kreuzer verlangen kann und da hat ma nix. Aber i sag’s, die Vereine san schuld d’ran und die Theater!“ Eine besondere Bedeutung spielten die Wirtshäuser und Heurigenschänken der Vororte. Das hatte eigentlich einen ganz profanen Grund: An der Lina (Linienwall), dem heutigen Gürtel, war Zollgrenze, an der ab 1829 die Verzehrsteuer eingehoben wurde. Daher waren Speis & Trank in den Vororten bedeutend billiger als in der Stadt oder den Vorstädten. Also wurde der Sonntag Nachmittag - der Vormittag war für Messe und allenfalls Frühschoppen reserviert - für Ausflüge oder Landpartien genutzt. Besonders beliebt beim weniger betuchten Publikum waren natürlich jene Vororte, die zu Fuß erreichbar waren. Etwa Neulerchenfeld – das „größte Wirthaus des Heiligen Römischen Reiches“. Immerhin hatten dort bereits vor 1800 von den etwa 150 Häusern 103 die Schankgerechtigkeit. Ein Bericht von Hans Normann aus dem Jahr 1832 illustriert uns das Vorortleben eindrucksvoll: „Das neue Lerchenfeld, zum Unterschiede von der Vorstadt Lerchenfeld
so genannt, ist eine Stadt der Wirtshäuser, welche kein Fremder zu
besuchen verabsäumen darf, wenn er zur Sommerszeit in der Hauptstadt
sich befindet […] Hier und in dem nahen Ottakrüm (Adakling)
kann man ein Volksfest mit einer Lebendigkeit begehen sehen, deren auch
nur der Wiener alltäglich fähig ist. Vorzüglich merkwürdig
ist aber der Sonntag hier. Für unser Thema interessant ist besonders die Erwähnung der
„inländischen, steirischen oder Tiroler Bänkelsänger“.
Die inländischen Sänger – also Wiener -begegnen uns als
Volks- oder Natursänger, wobei erstere ab etwa 1830 in Volkssängergesellschaften
organisiert waren. Unorganisierte Sänger und Sängerinnen wurden
als Natursänger bezeichnet. Zu ihnen zählten auch etwa Fiaker
und Wäschermädeln. Die Tiroler traten häufig als Nationalsänger
auf und trugen wie auch die Steirer (Alpensänger) vor allem ländliche
Lieder und Jodler, natürlich in ihren „Nationaltrachten“,
vor. Einige dieser Gruppen waren auch international tätig und kamen
auf ihren Reisen nach Deutschland, England, Russland und nach Amerika.
Bekannt wurden vor allem die Familien Rainer, Strasser und Leo, allesamt
aus dem Zillertal. Die Zillertaler waren als Straßenhändler
bekannt (Handschuhe, Steinöl...) und verwendeten den Gesang schon
frühzeitig als Lockmittel für ihre Kunden. Letztlich wurde das
Singen der lukrativere Geschäftszweig und so finden wir das Phänomen
alpiner Liedvorträge in den Städten schon weit über 100
Jahre vor der Trapp-Familie. Die Jodler der Nationalsänger, die sich
im Lauf der Zeit zu kunstvollen Salonjodlern entwickelten, waren maßgeblich
für die Entwicklung des Wiener Dudlers. Das Repertoire der National-
und Alpensänger wurde von Wiener Sängern weiter getragen. Trude Mally (1928-2009), die letzte Dudlerin der alten Generation, hatte noch eine Reihe derartiger Lieder in ihrem Repertoire, heute pflegen vor allem die Wienerliedsänger(innen) Agnes Palmisano(*1974) und Rudi Koschelu (*1953) das Liedgut der Wiener Dudler. „Noch ist es leer in der Stadt; aber wie nach der Ebbe, die den Strand verlassen hat, plötzlich eine kleine kräftige Welle heranrollt, als erstes Zeichen der Flut, so kommt, wenn die Sonne niedergeht, der erste Stellwagen voller Menschen von draußen herein. Ihm folgt bald der zweite, der zehnte, der hundertste; dann kommen alle Fiaker, die Einspänner, Scharen von Fußgängern, und es dauert nicht eine halbe Stunde, so ist wieder ein enormes Gewühl in der Stadt und lachende, fröhliche Menschen füllen alle Straßen.[...] Dann mischt sich auch das Abendgeläute von den Türmen aller Kirchen ,in dem Gerassel der Straßen, das nicht eher ein Ende nimmt, als bis alle Wiener und Wienerinnen, froh, den Tag über sich glücklich unterhalten zu haben, ihr munteres Lager aufsuchen.“ Apropos „Lager aufsuchen“: Musik gab es natürlich auch in den Wirtshäusern, in denen Kellnerinnen auch noch andere Tätigkeiten verrichteten. Besonders bekannt waren dafür einschlägige Schenken am Spittelberg, der zwar im Biedermeier schon viel von seinem alten Glanz eingebüßt, aber immer noch einige Anziehungskraft hatte. Ignaz F. Castelli schreibt in einer 1807 stattgefundenen Begebenheit: „Es gab zu jener Zeit in den Vorstädten kleine, unbedeutende Wirtshäuser, von der gemeinen Klasse „Beiseln“ benannt, wo der Wirt hübsche und kecke Mädchen hielt und wo täglich des Abends zwei oder drei Musikanten Tänze aufspielten. Die besuchtesten dieser Kneipen befanden sich auf dem Spittelberg. Da war nun alles dazu eingerichtet, um die Gäste so viel als möglich zu prellen, sie durch Tanz, Trank und durch frivole Liebkosungen den Mädchen in jene Stimmung zu versetzen, in der man nichts mehr schont und die Börse leert.“ Die deftig-pornografischen Lieder, die in diesen Häusern gesungen wurden, zumeist Vierzeiler mit einfacher G’stanzlmelodie, sind unter dem Begriff Spittelberglieder bekannt und von Emil Karl Blümml und Gustav Gugitz als Privatdruck 1924 publiziert worden. Die eigentlichen Herren der Wirtshausmusik waren die Volkssänger und die Linzer Geiger, die schließlich von den Schrammeln abgelöst wurden. Volkssänger sind übrigens kein Wiener Phänomen. Sie gab es ebenso in München, Berlin, Hamburg, Budapest und vielen anderen Städten, häufig in großer Zahl. So waren etwa in München im Jahr 1905 noch über 800 hauptberufliche Volkssänger gemeldet. Die Pawlatschen bzw. das „Brett’l“ im Gasthaus, wie man in Deutschland sagt, war ihre Bühne. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts übersiedeln sie teilweise in Singspielhallen, Etablissements, Revuetheater, ins Café chantant und Kabarett.
Mit Johann Baptiste Moser (1799-1863) beginnt die Ära der Volkssänger,
zumindest benannte er ab 1829, dem Zeitpunkt der Gründung seiner
eigenen Gesellschaft, die Zunft der „höhergestellten“
Sänger als solche. Im Vorfeld hatte Moser sich an die Harfenistengesellschaft
Jonas angeschlossen, wo er seine ersten Erfolge mit Soloszenen und Liedern
feiern konnte. In der Folge entwickelte er sich zu einem Reformator des
Harfenistenwesens, indem er das unwürdige Absammeln abstellte und
ein festes Entree forderte, die Harfe aus dem Gasthaus verbannte und das
Klavier als Begleitinstrument einführte. Die Pawlatschen, die im
einfachsten Fall aus vier Bierfässern mit einer oben aufgelegten
Kellertüre bestand, wurde die Standardbühne der Volkssänger.
Aus dem Jahr 1845 ist uns ein Abendprogramm J.B. Mosers überliefert,
der jeden Tag in einem anderen Gasthaus aufspielte. Darunter war das prominente
Vorstadtlokal Zum Grünen Tor in der Lerchenfelderstr.14 im 8. Bezirk
außerhalb der Stadtmauer. Dort haben die beliebtesten Volkssänger
und vor allem Volkssängerinnen ihre Glanzzeit erlebt, so etwa Fanny
Hornischer (1845-1911), Luise Montag (1849-1927), Antonia Mannsfeld (1835-1875),
Wenzel Seidl (1842-1921) und Wilhelm Wiesberg (1850-1896). Wiesberg war
nicht nur Volkssänger, sondern auch Lieddichter. Für geringes
Entgelt schrieb er auch anderen SängerInnen Couplets und Wienerlieder
auf den Leib. Durch die täglichen Auftritte gab es einen großen
Bedarf an neuer Literatur, das Wirtshauspublikum war sehr verwöhnt
und hatte vor allem Spaß an den Texten Wiesbergs, die gesellschaftliche
und politische Neuigkeiten aufs Korn nahmen. Mit Johann Sioly als Komponist
(1843-1911) haben die beiden einen Fundus von Liedern hinterlassen, die
noch heute lebhaft in Erinnerung sind, wie etwa Das hat kein Goethe g’schrieb’n,
das hat ka Schiller dicht ‚ D’Hausherrnsöhnl’n
oder Die Mondscheinbrüder. Die Wirte mussten für die Abhaltung
einer Volkssänger-Soiree mindestens 40 Gulden Einnahmen garantieren.
Weitere Vorortlokale Mosers waren das Stadtgut Fünfhaus mit seinem
riesigen Gastgarten (an Stelle des Friedrichplatzes, 15. Bezirk) und die
heute noch existierende [Zur] Brez’n in Neulerchenfeld im 16. Bezirk
in der Grundsteingasse 25 (Eingang Brunnengasse). Auch Zum goldenen Pelikan,
heute das Weinhaus Sittl, eines der ältesten Wirtshäuser in
Neulerchenfeld in der Neulerchenfelderstraße 1 (16. Bez.), war ein
beliebtes Volkssängerlokal direkt an der „Linie“. Anfang
des 18. Jahrhunderts erbaut, erhielt es 1776 sein heutiges Aussehen. Die
Liniengasthäuser waren zu Fuß gut erreichbar und die VolkssängerInnen
traten dort fast täglich auf. Freilich war der Besuch eines solchen
Vorortlokals für die ärmere Arbeiter- und Handwerkerklasse samt
ihren Familien auf den Sonntagnachmittag beschränkt. Während
der Woche setzte sich das Publikum eher aus gehobenem Bürgertum und
Adel sowie alleinstehenden Kavalieren zusammen, die sich Chancen auf die
Gunst einer Wirtshausprimadonna erhofften. Bei Volkssängern, wo die
„Zote“ nicht vorherrschte, konnte man auch bürgerliche
Familien mit jungen Damen unter den Zuhörern finden, etwa bei den
Soireen von Johann Baptiste Moser, der großen Wert auf seine anständigen
Vorträge hielt. Allgemein achtete die Volkssängerbranche darauf,
in „besseren Gastwirtschaften“ aufzutreten, kleinere Beisel
und Heurige gehörten in der Regel nicht dazu. „Bei den größeren Heurigenschänken kamen Prostituierte in größerer Anzahl erst nach 10 Uhr Nachts, um welche Zeit sich bereits die Bürgerfamilien aus dem Locale entfernt hatten und blieben bis zur Localsperre, wonach sie dann ihr wüstes Treiben in den Nachtcafès fortsetzten. [...] Bei den Productionen der Volkssänger finden sich häufig Dilettantinnen der Prostitution ein, auch fehlen nicht einige von den öffentlichen Prostituierten.“ Singspielhallen, Kaffeehäuser Die Volkssängertribünen in den Gasthäusern hatten bis
in die 1890er Jahre mehr Zulauf als die öffentlichen Theater, so
meint zumindest Eduard Pötzl (1851-1914), ein Wiener Feuilletonist
des 19. Jahrhunderts und Meister der Wiener Lokalskizze. Erst mit der
„fortschreitenden“ Bildung der unteren Klassen sei es dem
Theater gelungen, „den Sinn der Bevölkerung von dem Brett’l
abzulenken und dem Theater zuzuwenden. Die Theater standen dazumal häufig
leer, während die Volkssänger nicht Plätze genug hatten“.
Nach dem bereits erwähnten Ableben des Alt-Wiener Volkstheaters um
1860 entstanden zahlreiche ambulante und stabile Volkssänger-Singspielhallen,
die diese Marktlücke an Unterhaltungskultur nun abdeckten. Die Singspielhallen
warfen auch bei vollem Haus nicht immer genug Gewinne ab, dadurch ließen
sich jedoch die meisten nicht abschrecken. Anton Amon (1833-1896) hatte
etwa 1870 eine ambulante Singspielhallen-Konzession erhalten und konnte
damit mehr als vier Leute engagieren und große Komödien aufführen.
Diese Singspiel-Gesellschaften spielten meist in größeren Etablissements
wie in den Thalia-Sälen in Neulerchenfeld oder im Elterleins Kasino
in Hernals. Es gab aber auch feste Singspielhallen, wie das ehemalige
Schreiersche Affentheater im Prater, in dem Volkssänger und Schauspieler
Johann Fürst (1824-1882) 1862 die neue Singspielhalle Fürst
eröffnete. 1865 folgte der Umbau zum Fürsttheater, das in den
1870er Jahren zu den beliebtesten Volksbühnen zählte. Viele
Singspielhallen ereilte jedoch nach wenigen Jahren der finanzielle Ruin,
das Brett’l im Wirtshaus war dann wieder die Alternative. 1927 wurde
das Fürsttheater zum Lustspieltheater umgebaut und beherbergte ab
1929 ein Kino mit bis zu 1000 Plätzen, bis es 1981 abbrannte. Heute
heißt dieser Platz gleich am Eingang des Praters (Ausstellungsstraße)
Johann Fürst Platz. Ebenfalls in der heutigen Ausstellungsstraße
eröffnete Karl Drexler (1833-1883)1879 eine eigene Singspielhalle.
Die Theaterambitionen der schauspielernden Volkssänger führten
in vielen Fällen vom Wirtshaus-Brett’l über die Singspielhallen
zum richtigen Theater. Ein Beispiel etwa ist Josef Matras (1832-1887),
der bis 1856 in J.B. Mosers Gesellschaft engagiert war, sich später
mit Johann Fürst assoziierte, um sich dann ab 1863 im Carl-Theater
eine „hervorragende Position“ als Komiker zu schaffen. Heurigen Vor der Hernalser- und Lerchenfelderlinie waren einige Heurige oder Buschenschanken
angesiedelt, die wie die Gasthäuser große Säle und Gärten
besaßen. Der Gschwandner an der Hernalser Hauptstraße bewirtete
in seinem berühmten Gartensaal über Jahrzehnte sonn- und feiertags
bis zu 1000 Personen. Der 1839 erbaute Saal war der erste, der bei einem
Heurigen errichtet wurde. 1846 erweiterte Johann Gschwandner den Saal
durch einen Zubau, 1877 errichtete man anstelle des alten einen „modernen
Prachtbau“. Dort spielten zwei Musikkappellen, die eine für
Tanzmusik, die andere für Konzertmusik. Auch der „Gruber Franzl“
spielte dort in den 1850er Jahren auf seinem picksüaßen Hölzl
in einem Quartett in „unerreichter Weise seine Tanz und Jodler“.
Ein anderer großer Heuriger in Hernals war der Stalehner am Alserbach.
Er steckte abwechselnd mit dem Gschwandner aus, gewöhnlich im Mai,
August und Dezember. Im 1876 erbauten großen Prachtsaal „executierte
der treffliche Capellmeister Stoppauer fast ausschließlich echt
Wienerische Musik.“ Der Heurige Beim Weigl oder Zum höchsten
Heurigen war ebenfalls in Hernals: Auf dem Grund stand früher ein
Jagdschlösschen der Kaiserin Maria Theresia. Der Weiglhof hatte die
„Gestalt eines reizenden Bauernhofes“ und einen großen
Saal. 1886 schreibt Josef Schrank: Dort „producirten sich daselbst
die Volkssänger: der blade Binder [Jakob Binder], [Franz] Eckhart
und [Franz] Piringer. Später, eigentlich gegenwärtig, rufen
denselben Beifall Mirzl und Dreher [Mirzl Moßbrunner und Ferdinand
Koblassa], [Edmund] Guschelbauer und [Luise] Montag, [Franz] Kriebaum
und [Anton] Nowak hervor.“ Einkehrgasthäuser Die Einkehrgasthäuser an den Endstellen der Stellwagenlinien waren
beliebte Ausflugsziele der Wiener und Rastplätze der Frächter
und Fahrer. Der Stellwagenbetrieb florierte bis Ende der 1870er Jahre.
Nach dem Abflauen des Frächterverkehrs suchten sich bereits Mitte
des 19. Jh. die Einkehrgasthäuser neue Verdienstmöglichkeiten.
Manche von Ihnen hielten im Vergnügungsbetrieb Ausschau und „öffneten
den damals aufkommenden Volkssängern ihre Pforten“. „Es ist daher leicht möglich, dass die Anreger dieser mich in meiner Existenz schwer treffenden Entscheidung während der Beerdigung einen der anderen Lautsprecheranlagen gehört haben. Außerdem trifft mich das Verbot jedweder Musik, in welches Verbot selbstverständlich auch das Verbot der nach dem Leichenbegängnisse oft Einkehr haltenden Leichmusiken auf das schwerste, da dieselben durch dieses Verbot gezwungen sind, event. in die mir gegenüberliegende Gastwirtschaft einzukehren. Durch all diese Gründe will ich die Beweise erbringen, dass dieses Verbot mich in meiner Existenz auf das schwerste trifft, wenn es mich nicht ganz ruiniert.“ Aus den Unterlagen des Wiener Volksliedwerkes geht nicht hervor, ob der Magistrat die Einschränkung zurückgenommen hat, auf jeden Fall war die Glanzzeit des Gasthauses gegen Ende des Zweiten Weltkrieges vorbei. 1934 arbeiteten noch 16 Kellner in dem bis zu 1500 Personen fassenden Garten, während des Krieges waren noch 1-2 Kellnerinnen beschäftigt. Die unter der Erde verlegten Lautsprecherkabel hinterm Haus wurden übrigens 2006 bei einer neuerlichen Sanierung gefunden: sie schienen noch intakt. Heute Öffentliche Konzerte, Tonträger, Theater, Kino und Fernsehen bestimmen nun im wesentlichen das Freizeitverhalten musikinteressierter Menschen. Die Hochzeit der großen Gastgärten und Gasthaus-Tanzsäle ist lange vorbei. Dennoch können wir heute eine beachtliche Zahl von Gasthäusern, Heurigenlokalen und Cafés in Wien und Umgebung finden, in denen, wenn nicht täglich, so doch regelmäßig Wiener Musikanten zur Unterhaltung aufspielen. Darunter fallen nicht nur die großen Heurigen in Grinzing und Neustift, deren Wirte vorwiegend Instrumentalisten für die beachtliche Menge an Touristen engagieren, die dort täglich mit Bussen hingeführt werden. Vor allem in den Außenbezirken kann man immer wieder fündig werden, wenn man Wienerlied und Weana Tanz hören möchte. Im Café Schmid Hansl in der Schulgasse 31 (18.Bez.) wird etwa Wiener Musik von Dienstags bis Samstags angeboten, im Rahmen von Jour fixes treten bestimmte Ensembles auf wie die 1. Wiener Pawlatschen AG am letzten Dienstag im Monat. Im Café Prückl am Stubenring 24 (1. Bez.) geben jeden 1. Donnerstag im Monat die junge Dudlerin Agnes Palmisano mit dem Packl Roland Sulzer und Peter Havlicek eine Soiree. Akkordeonist Roland Sulzer spielt wiederum regelmäßig im Griechenbeisl, einem legendären Lokal am Fleischmarkt 11 im 1. Bezirk, das wahrscheinlich schon im 15. Jahrhundert als Gasthaus genutzt wurde. In dem nach einem berühmten Lied des Malers und Musikers Karl Hodina benannten Heurigenlokal Herrgott aus Sta in der Speckbachergasse 14 (16. Bez.) singt und spielt Hodina höchstpersönlich zusammen mit Kontragitarrist Rudi Koschelu an jedem 2. und letzten Freitag im Monat. Überhaupt sind die jour fixes in der Wienerlied-Szene sehr beliebt, jeder Wochentag hat so seinen Ort, fast so wie zu Zeiten der VolkssängerInnen. Die Musik im Wiener Wirtshaus hat überlebt, das Raunzen auch: A Gfrett is’s auf da Welt 1) Ja wann ma unser Wean betracht, da waars ka Wunda, wann ma lacht. Da Unterschied gegn d frühern Zeit, da hats halt gebm ganz andre Leut. A Kirtag drunt am Schottnfeld, da habms no ghabt a Silbergeld. Die Zwanzger, die san umergflogn. Da Tisch, der hat si bogn. Die Bachhendln, da Guldnwein habm auf kan Tisch net gfehlt. Doch schaut ma heut, wia s zuageh tuat da drent am Schottnfeld: Die reichsten Leut habm Krida gmacht, Fabrikn zugsperrt über d‘ Nacht. Wo d‘ Weber gmacht habm Seidnschal, steht a Versatzamtsfilial. Von d‘ Bachhendln is längst ka Spur. Heut schlickt a jeder hintern Tor a gselchte Blunzn, dass alls hellt. Die Leut habm zwenig Geld... Refrain: 2) A Landpartie nach Bratenfurt, da schmeckt der Müllirahmstrud’l
guat. War’s Wetter nur a bisserl fein, mit’n Zeiserlwag’n
in Wolfsgrab’n nein. Vier Tag hab’m dauert dort die G’stanz,
da habm’s blos’n die Schmalhofer Tanz. Vom Trübsalblasen
gar ka Spur – s war überall Frohsinn nur. Mit Kind und Kegel
san d‘ Leit naus, hab’m glebt in Saus und Braus. Heit fahrt
ma mit der Dampftramway nach Bratensee hinaus. Vom guaten Wein is längst
ka Spur, an Fensterschwitz, den saufen s‘ nur. Statt harbe Tanz
für‘s Herz und Gmüat spielt der Werkelmann das Fischerliad.
Statt hamfahrn mit an Zeiserlwagen tuat aner den andern buckelkrax’n
trag’n. Und schlaf’n tans im Kukuruzfeld. Die Leut ham z’wenig
Geld. [...]
Friedrich Schlögl, Zu meiner Zeit, Prag 1944,
S. 167 Johannes Ziegler, Wiener Stimmungsbilder, Wien 1907,
S. 117 Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt
Wien, Wien 1986, S. 89. Hans Normann (Peudonym f. Anton Johann Gross-Hoffinger),
Österreich, wie es ist, Leipzig und Löwenberg, 1833, in: Fritz
Stüber-Gunther, Wien, wie es war, Wien 1920, S. 117 ff. www.wien.gv.at/licht/gesch.htm Ignaz F. Castelli, Memoiren meines Lebens, zitiert
in K. Giglleithner u. G. Litschauer, Der Spittelberg und seine Lieder,
Privatdruck, Wien 1924, S.39 Josef Koller, Das Wiener Volkssängertum in alter
und neuer Zeit, Wien 1930, S. 15 Josef Schrank, Die Prostitution in Wien, Wien 1886,
S. 421 1856, Hofoper (Staatsoper) 1861/69, Burgtheater 1873/74,
Volkstheater 1887/89, Raimundtheater 1893, Volksoper (Kaiser Jubiläums-Stadt-Theater)
1898. Das Wiener Volkssängertum, S. 25 Kapuziner, Einspänner, Schalerl Gold, S. 12 ff. ebenda, S. 419 Fanny von Arnstein (1758-1818) führte in Wien
einen bedeutenden literarischen Salon. Stadtchronik. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und
Bildern, hrsg. vom Verlag Christian Brandstätter, Wien 1986, S.239:
Infos und Termine unter http://www.wvlw.at/ Infos und weitere Termine zur Wienermusik in
Gasthäusern: Wiener Volksliedwerk (http://www.wvlw.at/ ), Tel. 416
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